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Masse oder Klasse?

Thomas Masselink • 6. August 2019

Vom Druckpartner an der Ecke zum strategischen Marktbesitzer.

Mehrwert macht das Geschäft

Seien wir ehrlich: Die meisten Druckereien in Deutschland sind Inhaber geführt und eher handwerklich orientiert, als wirklich industriell geführt und gemanagt. Die schwarze Kunst ist heute vier- oder fünffarbig, aber eben immer noch eine Kunst, die wir Kleinen vermeintlich besser und hochwertiger beherrschen, als der böse Anonyme aus dem Internet. „Sammelform“ klingt schon wie „2. Wahl“.

Ist das so? Das weiß man nicht so genau. Es gibt hier wie dort gute und auch schlechte. Schwarze Schafe hüben wie drüben.
Aber die großen Druckfabriken sind eben keine wirklichen Vertreter der schwarzen Kunst, sondern Industriebetriebe. Massenware. Das ist unbestreitbar so. Und die Massenware verdirbt die Preise und zerstört das Handwerk. Das war schon in der Textilindustrie so und beim Tante-Emma-Laden und so weiter.

Dieses Klagelied können wir jetzt seitenlang so weiterführen. Wird auch gemacht. Aber nicht in diesem Blog.

Klein und erfolgreich - Geht das?

Die Frage ist hier, was kann ein Inhaber geführtes kleines bis mittleres Unternehmen tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben, modern und rentabel zu sein, ohne dabei eine Druckfabrik werden zu müssen, also ohne auf Massenware umzustellen?

Geht das überhaupt? Ja, das geht. Und von solchen Betrieben gibt es etliche in Deutschland. Klein und erfolgreich.

Wie geht das? Nicht durch Patentrezepte, die ich hier in 600-800 Worten kurz aufzeige. Das machen dann einfach alle nach und schon ist alles schön. Wenn es so simpel wäre, gäbe es keine Krise in der Druckindustrie.

Um ein kleiner erfolgreicher Fachbetrieb zu werden (oder zu bleiben), der in seiner Nische hochwertigste Produkte für handverlesene Kunden produziert – und davon gut leben kann – brauchte es (schon wieder) eine Strategie. Allein in diesem Satz steckt bereits eine Menge Strategie: Nische, hochwertige Produkte, handverlesene Kunden. Das ist schon eine ganz andere Ausrichtung, als das Modell Akzidenzdruckerei. Wir kennen sie alle: Eine oft kleine bis mittlere Druckerei, irgendwo im Wohnviertel an der Ecke, dann hoffentlich expandiert, seit 10, 20 oder gar 30 Jahren im Neubau im Industrieviertel. Aber immer noch Akzidenzen. Gelegenheitsdrucksachen. Produzieren was gerade reinkommt. Und wenn nichts reinkommt, nervös werden.

Wenn die Schwarze Kunst denn eine Kunst ist, dann muss sie auch so betrieben werden. Dann braucht es Kunden, die genau diese Schwarze Kunst wollen – und keine Massenware. Dann braucht es ein Unterscheidungsmerkmal zur Massenware, außer dass sie teurer ist. Dann muss ein Laie den Unterschied sehen. So ist beispielsweise die Renaissance des Buchdrucks bzw. Letterpress zu erklären. Da hat man was ganz anderes in der Hand. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist für Bücher nicht wichtig, aber für hochwertige Visitenkarten sind die andere Haptik und das andere Aussehen durchaus Alleinstellungsmerkmale.

Nun können wir nicht alle wieder von Visitenkarten im Buchdruck leben. Aber das Prinzip kann uns helfen. Was unterscheidet mein Produkt von der Massenware, damit ein Kunde bereit ist, mehr dafür zu bezahlen? Vielleicht ist es gar nicht mein Produkt, sondern meine Dienstleistung oder mein Service. Aber welchen Service biete ich denn genau und wer ist bereit dafür zu bezahlen? Vielleicht ist es auch mein besonderes Knowhow. Knowhow im klassischen Drucken, aber vielleicht auch mein Knowhow über die besonderen Anforderungen und Probleme einer bestimmten Kundengruppe?

Bleiben wir bei den Tante-Emma-Läden: Irgendwann sind sie verschwunden, weil es Supermärkte gab. Die hatten plötzlich alles im Angebot, von frischen Erdbeeren über Fleisch- und Wurstwaren bis zum Wäscheständer – und dazu waren sie auch noch billiger, weil der Massenabsatz und die Marktbeherrschung ihnen günstigere Einkaufspreise ermöglichten. Also muss ein Einzelhändler an der Ecke irgendetwas bieten, was der Supermarkt nicht hat – längere Öffnungszeiten, zusätzliche U-Bahn- und Busfahrkarten, einen Paketshop. Irgendetwas, was der Supermarkt nicht kann. Und so geht es den kleineren Druckereien auch. Genau so.

Als kleines Unternehmen in einen Preiskampf mit einer Druckfabrik einzusteigen ist sinnlos. Vielmehr gilt es herauszufinden:

  • Was kann ich anbieten?
  • Wem kann ich es anbieten?
  • Wer ist bereit, dafür angemessen zu bezahlen?
  • Wie mache ich diesen Kundenkreis auf mein Angebot aufmerksam?
Eigentlich ganz einfach.

Aber von alleine passiert so eine Umstellung des Betriebes nicht – und das ist eine Umstellung. Für solch ein Projekt ist es gut, sich mit anderen zu unterhalten. Mit anderen, die bestimmte (gute oder schlechte) Erfahrungen schon gemacht haben. Außerdem muss man seinen eigenen Laden mal gründlich unter die Lupe nehmen:
  • Was kann ich eigentlich besonders gut und was ist eher problematisch?
  • Wo will ich denn hin?
  • Wovon will ich in Zukunft mehr tun und was will ich nicht mehr?
Das nennt man eine Strategie.

Ein Nachsatz zu meiner eigenen Erfahrung: Als ich vor über 10 Jahren das erste Mal bei einem Strategiearbeitskreis saß und mit diesen Fragen konfrontiert wurde, dachte ich: Hier bin ich falsch. Ich habe es nie laut gesagt, aber ich dachte: Zielgruppe? Spezialisierung? Wir produzieren alles und für jeden. Da kann ich mich gar nicht spezialisieren. Ich kann doch keinen Kunden wegschicken, nur weil er nicht in meine Zielgruppe passt. Und was aus unseren Maschinen hinten herausfällt sieht im Normalfall ziemlich so aus, wie das, was unser Wettbewerb auch druckt. Also was soll das Ganze?

Heute bin ich ein strenger Verfechter genau dieser Orientierung: Zielgruppe! Spezialisierung! Das heißt nicht, dass ich alles andere nicht mehr mache. Aber ich muss wissen, auf wen und was ich mich im Krisenfall konzentriere – und auf wen auch ich mich im Krisenfall verlassen kann. Auch das nennt man Strategie!

Was hat das alles mit Digitalisierung zu tun? Nichts. Wirklich gar nichts!

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