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Was ist denn mit dem Papier los?

Thomas Masselink • 13. Dezember 2021

Warum die Lage am Papiermarkt so angespannt ist.

Stapel von Altpapier

Inzwischen hat es sich rumgesprochen: Die Papierpreise steigen anscheinend unaufhörlich und kontinuierlich. Die Lieferzeiten werden immer länger. Oftmals ist das gewünschte Material gar nicht lieferbar und bei Ausweichsorten und anderen Papierqualitäten sieht es nicht viel besser aus. Zustände, wie sie die Branche seit Jahrzehnten nicht erlebt hat.

Was Kunden nur schwer zu vermitteln ist, ist die Frage, woran das eigentlich liegt. Man hört von Corona, vom Handelskrieg mit China, von abgestellten Papiermaschinen. Alles faule Ausreden, weil die Druckerei vergessen hat, rechtzeitig nachzubestellen? Das mit Sicherheit nicht. Das Problem besteht nicht bei einzelnen Druckereien, sondern am gesamten Papiermarkt, europaweit. Und alle zuvor genannten Faktoren spielen eine Rolle.


Weniger Altpapier

Fangen wir mit Corona an. Durch die CoVid-19-Pandemie ist es zu vielen Einschränkungen gekommen. Während der Lockdowns gab es zahlreiche Veranstaltungen nicht. Geschäfte, waren über lange Zeiten geschlossen. Große Teile des wirtschaftlichen Lebens funktionierten nur mit angezogener Handbremse. In dieser Zeit ist das Druckvolumen für bestimmte Produkte deutlich zurückgegangen. Fachzeitschriften haben Ihre Umfänge reduziert, weil Anzeigenkunden weggefallen sind. Werbebeilagen in Zeitungen wurden reduziert, weil Geschäfte geschlossen waren. Kataloge, vom Messekatalog bis zum Möbelprospekt wurden nicht gedruckt. Flyer wurden nicht gebraucht und selbst der Verbrauch von Drucker- und Kopierpapier ist erheblich zurückgegangen. Die Folge von alledem: Alles was nicht gedruckt wurde, landete auch nicht im Altpapier. Altpapier ist aber ein wichtiger Rohstoff, um Papier herzustellen. Klingt paradox? Ist aber so.


Rohstoffkreislauf – Was hat Corona mit Recycling zu tun?

Papier besteht hauptsächlich aus Cellulosefasern, die wenige Millimeter bis zu einigen Zentimetern lang sind. Diese Faserstoffe werden heutzutage vor allem aus dem Rohstoff Holz gewonnen. Grundsätzlich sind alle cellulosehaltigen Stoffe zur Papierherstellung geeignet, selbst Gras oder Apfelschalen. Sie spielen aber in der Massenproduktion (bislang noch) keine Rolle. Zu nahezu 95 % wird Papier aus Holz hergestellt, was bei Unwissenden oft zu dem Vorurteil führt, Papier sei nicht nachhaltig. Tatsächlich wird aber nicht immer Frischfaser verwendet, sondern eben zu großen Teilen Altpapier. Zeitungspapier besteht beispielsweise zu 100 % aus Altpapier. Andere Papiersorten haben geringere Anteile, aber Altpapier ist immer ein wichtiger Rohstoff zur Herstellung von Papier.

Es gibt rund 3000 Papiersorten, die je nach Verwendungszweck unterschiedliche Güteklassen und Herstellungsprozesse haben. Der Erfolg des Altpapierrecyclings liegt in der hochwertigen Getrenntsammlung von Altpapier in Papiertonnen und – containern. Entsorger sortieren eingesammelte Altpapiere in 70 unterschiedliche Sorten, um sie an den richtigen Stellen wieder dem Herstellungsprozess zuführen zu können. Papier wird in Europa laut International Paper durchschnittlich 3,5 Mal recycelt, danach verlieren die Fasern zu sehr an Stabilität. Die Fasern verkürzen sich von Recyclingschritt zu Recyclingschritt. Weit vorne im Recyclingkreislauf mit einem höheren Anteil an Frischfasern stehen hochwertige grafische Papiere, weiter hinten kommen einfachere Offsetpapiere, dann Recyclingpapiere, Höherwertige Verpackungsmaterialien, einfache Verpackungen, wie braune Wellpappe und ganz zum Schluss Haushalts- und Toilettenpapiere, die nicht mehr recycelt werden können. Genau dieser Recyclingkreislauf funktioniert durch Corona nicht mehr so, wie vorher.


Höherer Bedarf an Altpapier

Wir haben beschrieben, dass durch und während der Corona-Krise wesentlich weniger Altpapier angefallen ist. Gleichzeitig ist aber durch Online-Handel und Lieferservice ein erheblicher zusätzlicher Bedarf an Verpackungen von der Buchverpackung bis zur Pizzaschachtel entstanden, die einen höheren Bedarf an Altpapier erfordern. Weniger Altpapier trifft auf erhöhte Nachfrage an altpapierhaltigen Verpackungen. Wenn eine Ware knapp wird, führt das zu einem erheblichen Preisanstieg. Die Preise für gemischtes Altpapier lagen im September 2021 lauf Recycling Magazin um 222,4% höher als im Vorjahresmonat.


Zusätzliche Herausforderungen

Als wenn die Situation nicht so schon schweißig genug wäre, wird das Papierproblem durch die beiden oben genannten Schlagworte vom Chinesischen Markt und dem Abstellen von Papiermaschinen weiter verschärft. Man hört immer wieder, China kaufe große Mengen Altpapier in Europa auf, dem widerspricht Peter Fischer, Leiter Einkauf Altpapier der Progroup AG. Danach reduzierte China seine Importmengen für Altpapier von 25 Mio. t im Jahr 2017 auf 0 t im Jahr 2021. Das liegt daran, dass das Altpapierrecycling in China (und anderen Ländern) allmählich Fahrt aufnimmt und außerdem am chinesischen Markt ein höherer Frischfaseranteil bevorzugt wird. Schwierig für den europäischen Papiermarkt ist aber, dass China genau deshalb für die eigene steigende Papierherstellung in großem Stil die notwendige Frischfaser aufkauft. Die Zeitschrift Capital formulierte im Oktober `21 den Satz „China saugt den Markt für Zellstoff leer“. Es fehlt in Europa also nicht nur das Altpapier, sondern außerdem die notwendige Frischfaser.

Das zweite (hausgemachte) Problem ist die Umstellung der Papierherstellung auf Verpackungsmaterial. Die Papierfabriken stellen sich damit auf die veränderten Bedarfe ein. Wenn weniger grafische Papiere und dafür mehr Verpackungen gebraucht werden, werden auch mal Fabriken umgerüstet. Und da legt man nicht eben einen Hebel um. Eine Papiermaschine umzustellen, ist eine Prozess, der dauert, und der ist auch nicht so schnell wieder rückgängig zu machen - zumal der Bedarf an Verpackungen ja nicht weniger wird. Der Spiegel berichtete im September 2021, dass von 2019 bis 2021 europaweit Kapazitäten von sieben Millionen Tonnen Papier stillgelegt oder auf die Produktion von Verpackungsmaterial umgestellt wurden. Und weil nach den Lockdowns der Coronazeit jetzt wieder deutlich mehr grafische Papiere und Zeitungspapiere gebraucht werden, fehlen genau diese Kapazitäten.


Fazit

Es fehlt also an allen Ecken und Enden: Die Kapazitäten zur Herstellung grafischer Papiere wurden zurückgefahren. Die notwendigen Rohstoffe Altpapier und Frischfaser sind knapper und erheblich teurer geworden. Daher werden sich die Zustände am Papiermarkt so schnell nicht wieder ändern.


Mein Tipp:

Als Drucksacheneinkäufer Kampagnen und Bedarfe langfristig planen und rechtzeitig (d.h. sofort!) mit dem Druckdienstleister absprechen. Als Druckerei Kunden proaktiv ansprechen, über die schwierige Lage am Markt informieren und gemeinsam künftige Druckbedarfe besprechen, um längere Lieferfristen durch rechtzeitige Bestellungen abzumildern. Nicht warten, bis der Kunde auf Sie zukommt.

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